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AG Ludwig

Prof. Dr. Kerstin Ludwig

Kraniofaziale Genomik, Host Genetics

Kraniofaziale Genomik Unter „kraniofazialer Entwicklung“ fasst man alle während der frühen Embryonalentwicklung ablaufenden Prozesse zusammen, die zur Entstehung des Gesichts und des Schädels führen. Diese Prozesse sind zum einen evolutionär stark konserviert, zum anderen unterliegen sie auch einer gewissen Variabilität, die letztlich zur individuellen Gestalt des Gesichts führt. Genetische Faktoren sind zentral an Prozessen der kraniofazialen Entwicklung beteiligt und wurden in den letzten Jahren systematisch identifiziert – zum einen durch Untersuchungen von Gesichtsfehlbildungen, zum anderen durch Analysen von variablen Merkmalen der Gesichtsstrukturen in der Bevölkerung. Die molekularen Auswirkungen dieser genetischen Faktoren sind jedoch bisher nur in geringen Maße verstanden, was u.a. daran liegt, dass humanes biologisches Material aus dem entstehungsrelevanten Zeitpunkt nur sehr limitiert für Untersuchungen zur Verfügung steht. In den letzten Jahren wurden durch die Zunahme an „omics“-Technologien eine Vielzahl von kausalen Mechanismen für diverse biologische Prozesse identifiziert. Diese Studien umfassten die Kombination von groß angelegten genetischen Studien in spezifischen Krankheitstypen mit umfangreichen funktionellen Datensätzen. In Bezug auf die kraniofaziale Entwicklung konnten wir in Zusammenarbeit mit der AG Mangold bereits eine Vielzahl vorher unbekannter genetischer Risikoregionen für die nicht-syndromale Lippen-Kiefer-Gaumenspalten (nsLKG) identifizieren. Von den derzeit bekannten mehr als 45 genetischen Risikoregionen liegt die Mehrzahl in nicht-kodierenden, intergenischen Bereiche. Das Ziel unserer Arbeitsgruppe ist es, die biologischen Prozesse der kraniofazialen Entwicklung und ihre Beeinflussung durch genetische Variation zu verstehen. Host Genetics Forschungskonzept Die Art und Weise, wie das humane Immunsystems auf den Kontakt mit Krankheitserregern reagiert, ist von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich. Zum einen gibt es eine hohe Variabilität in Bezug auf die Infektionsanfälligkeit (sogenannte Suszeptibilität), zum anderen sind nach erfolgter Infektion auch die Krankheitsverläufe sehr unterschiedlich. Der Beitrag genetischer Faktoren zu dieser Variabilität wird unter dem Begriff „Wirtsgenetik“ (engl. host genetics) zusammengefasst. Die Forschung auf diesem Gebiet ist vergleichsweise jung und bekam besonders durch den Ausbruch der SARS-CoV-2-Pandemie im Frühjahr 2020 globale Aufmerksamkeit. Nach Infektion mit SARS-CoV-2 zeigten sich extrem variable Verläufe der assoziierten Lungenkrankheit COVID-19. Obwohl relativ zeitnah Risikofaktoren für eine schwere COVID-19-Erkrankung beschrieben wurden (z. B. fortgeschrittenes Alter, männliches Geschlecht oder Vorerkrankungen), konnten diese die Unterschiede in der Anfälligkeit für Infektionen oder die Schwere des Krankheitsverlaufs nicht vollständig erklären. Um wirtsgenetische Risikofaktoren für COVID-19 zu identifizieren, wurde in Bonn die „Bonn Study on COVID Genetics“ (BoSCO-Studie) ins Leben gerufen (bosco-studie.de). Im Rahmen von BoSCO rekrutieren wir Personen mit nachgewiesener SARS-CoV-2-Infektion und verschiedenen Krankheitsmanifestationen, durch die Zusammenarbeit mit Kliniken und bevölkerungsbasierten Ansätzen. Anhand dieser Kohorte haben wir bereits eine Vielzahl systematischer Studien zum genetischen Hintergrund von COVID-19 durchgeführt, einschließlich genomweiter Assoziationsstudien (GWAS) und systematischer Sequenzierungsansätze. Mit der BoSCO-Studie waren wir beteiligt an der Identifizierung häufiger Risikovarianten im Rahmen der internationalen COVID-19 HGI, aber auch zur Etablierung der TLR7-Defizienz als wichtigster monogenetischer Ursache für schweres COVID-19. Kürzlich haben wir die Studien zur Wirtsgenetik auf die postakute Folgeerkrankung LongCOVID ausgeweitet und sind auch hier an internationalen Konsortien beteiligt. Trotz der schnellen Erfolge im Bereich der COVID-19 Wirtsgenetik sind viele Risikofaktoren weiterhin unaufgeklärt. Um weitere genetische Risikofaktoren zu identifizieren, und dadurch wertvolle Informationen für die Risikoprädiktion und Entwicklung therapeutischer Optionen zu erhalten, arbeiten wir zusätzlich zur BoSCO-Studie und den Kollaborationen mit der COVID-19 HGI mit weiteren nationalen Projekten zusammen, z.B. der DeCOI-Initiative (www.decoi.eu) und dem BMBF-geförderten NAPKON-Projekt (https://napkon.de). Neben der Identifizierung der genetischen Risikofaktoren für COVID-19 möchten wir uns in Zukunft weiteren Infektionserkrankungen zuwenden und die molekularen Mechanismen, die durch die genetischen Risikovarianten vermittelt werden, besser verstehen. Hierfür kollaborieren wir mit verschiedenen Arbeitsgruppen des Immunosensation2 Exzellenz-Clusters.